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Montag, 8. Mai 2017

Meinungsfreiheit im Ausbildungsverhältnis

Emotionale und wertende Kritik als unmittelbare Reaktion auf durch den Arbeitgeber erhobene Vorwürfe ist von der Meinungsfreiheit erfasst und stellt unter diesen Umständen keinen wichtigen Grund für eine Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses i. S. d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG dar (LAG Rheinland-Pfalz, Entscheidung vom 02.03.2017, Az. 5 Sa 251/16).

Im zugrunde liegenden Fall hatte die Arbeitgeberin der betroffenen Auszubildenden ca. ein Jahr nach Beginn des Ausbildungsverhältnisses den Abschluss eines Aufhebungsvertrages angeboten. Begründet wurde dies unter anderem damit, man sei der Ansicht, die Klägerin, eine gebürtige Kasachin, sei den Anforderungen hauptsächlich aufgrund sprachlicher Probleme nicht gewachsen und würde sich daher nur quälen.
Die Auszubildende nahm das Angebot nicht an und erwiderte schriftlich, sie sei durch die Wortwahl stark verletzt, der Ausbildungsbetrieb leiste im Gegensatz zu anderen Arbeitgebern keinen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration sprachlich eingeschränkter Personen und sie fühle sich wegen ihrer sprachlichen Schwächen diskriminiert.
Die Arbeitgeberin kündigte das Ausbildungsverhältnis daraufhin fristlos aus wichtigem Grund gem. § 22 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 BBiG. Sie berief sich darauf, das Vertrauensverhältnis sei wegen der Vorwürfe der Auszubildenden derart zerrüttet, das eine Fortführung des Ausbildungsverhältnisses nicht möglich sei.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte sowohl erst- als auch zweitinstanzlich Erfolg.

Ein wichtiger Grund i. S. d. § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG lag nicht vor.
Die Äußerungen der Auszubildenden seinen von Art. 5 GG geschützte Werturteile bzw. Äußerungen gewesen, in denen sich Tatsachen und Meinungen vermischt hätten. Dabei sei es unerheblich, ob dies emotional oder sogar unbegründet gewesen sei. Vorliegend seien die Äußerungen stark durch die wertende Betrachtungsweise des Ausbildungsbetriebs und nicht durch beleidigenden Charakter geprägt gewesen. In diesem Fall überwiege daher die Meinungsäußerungsfreiheit der Klägerin die durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Interessen der Beklagten. Die Klägerin habe lediglich in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang auf Vorwürfe der Beklagten reagiert und sei zudem noch von der Sorge um ihren Ausbildungsplatz emotional umgetrieben gewesen.


Ihre Ansprechpartner im Arbeits- und Sozialrecht:
Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich in Steinfurt Borghorst.

Mittwoch, 3. Mai 2017

Schadensersatz wegen Diskriminierung kein Arbeitslohn

Zahlungen wegen Diskriminierung, Mobbings oder sexueller Belästigung haben keinen Lohncharackter und sind daher steuerfrei. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber die behauptete Benachteiligung bestritten hat und sich lediglich in einem gerichtlichen Vergleich zur Zahlung bereit erklärt hat.
Das hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz entschieden (21.03.2017, Az. 5 K 1594/14).

Im zugrunde liegenden Fall hatte sich eine Arbeitnehmerin gegen eine personenbedingt ausgesprochene Kündigung zur Wehr gesetzt und mit der Kündigungsschutzklage zugleich eine Entschädigung wegen Benachteiligung wegen einer bei ihr bestehenden Behinderung begehrt. Einige Wochen vor Ausspruch der Kündigung war bei ihr ein GdB von 30 festgestellt worden. Vor dem Arbeitsgericht schlossen die Klägerin und ihr Arbeitgeber dann einen Vergleich, in dem eine "Entschädigung gem. § 15 AGG" vereinbart und das Arbeitsverhältnis einvernehmlich beendet wurde.
Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich bei der vereinbarten Entschädigung um steuerpflichtigen Arbeitslohn gehandelt habe.
Auch hiergegen setzte ich die Klägerin zur Wehr, erfolgreich.

Das Finanzamt hat in seiner Entscheidung darauf hingewiesen, dass es sich ausweislich des Vergleichs bei der vereinbarten Zahlung nicht um Ersatz für materielle Schäden i. S. d. § 15 AGG, z. B. entgehenden Arbeitslohn, gehandelt habe, sondern um den Ausgleich immaterieller Schäden i. S. d. § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Diskriminierung der Klägerin als behindertem Menschen. Eine solche Entschädigung ist allerdings stets steuerfrei und nicht als Arbeitslohn einzuordnen.


Die Autorin ist zugleich Fachanwältin für Sozialrecht.