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Mittwoch, 23. Dezember 2015

Alles Gute für 2016 !

Allen, die diesen Blog in 2015 gelesen und mit Anregungen unterstützt haben, sei an dieser Stelle gedankt. Frohe Weihnachten und für 2016 alles Gute und die besten Wünsche !

Ihre Rechtsanwältin Viola Hiesserich !

Freitag, 27. November 2015

Kündigung bei Zerwürfnis mit Familienangehörigen

Eine Kündigung, die begründet wird mit einer Auseinandersetzung zwischen Arbeitgeber und Familienangehörigen des Arbeitnehmers, ist unwirksam.
Das hat das Arbeitsgericht Aachen entschieden (Urteil vom 30.09.2015, Az. 2 Ca 1170/15).

Was im Einzelnen zwischen dem Ehemann der Klägerin und ihrem Arbeitgeber vorgefallen war, stand zwar zwischen den Parteien im Streit. Allerdings hatte der Arbeitgeber eingeräumt, für die ausgesprochene Kündigung habe eine Rolle gespielt, dass er wegen des völligen Zerwürfnisses mit deren Ehemann er auch mit der Arbeitnehmerin nicht mehr habe zusammen arbeiten wollen.

Das Arbeitsgericht Aachen hat nun klargestellt, dass auch ein mögliches Fehlverhalten des Ehemannes der Arbeitnehmerin die Kündigung nicht gerechtfertigt habe. 
Die Rechtssphären der Eheleute seien getrennt voneinander zu betrachten, eine Zurechnung finde nicht statt.


Die Autorin ist tätig auf dem Gebiet des Arbeitsrechts und zugleich Fachanwältin für Sozialrecht.

Donnerstag, 19. November 2015

Praktikumszeiten / Probezeit des Ausbildungsverhältnisses

Die Dauer eines vorausgegangenen Praktikums ist nicht auf die Probezeit in einem folgenden Berufsausbildungsverhältnis anzurechnen.
Das hat das Bundesarbeitsgericht am 19.11.2015 entscheiden (Az. 6 AZR 844/14).

§ 20 S. 1 BBiG ordne zwingend an, dass das Ausbildungsverhältnis mit einer Probezeit beginnt.
Eine Prüfung der wesentlichen Umstände im konkreten Ausbildungsberuf sei für beide Vertragspartner nur unter den tatsächlichen Bedingungen des Berufsausbildungsverhältnisses mit seinen spezifischen Pflichten möglich.

Das BAG wies außerdem darauf hin, dass dies auch dann gelte, wenn es sich nicht um ein Praktikum, sondern um ein vorausgehendes Arbeitsverhältnis handele. Auch dies sei nicht auf die Probezeit eines nachgehenden Berufsausbildungsverhältnisses anrechenbar.


Ihre Fachkanzlei für Sozialrecht: Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich

Freitag, 23. Oktober 2015

Fachkräfte-Woche 2015

Vom 26.10.2015 bis zum 01.11.2015 wird die Fachkräfte-Woche 2015 als bundesweite Aktionswoche stattfinden.

Dabei soll es auf zahlreichen Veranstaltungen um die Frage gehen, welche Potenziale für die Fachkräftesicherung bestehen und wie diese noch besser genutzt werden können.
Mitglieder der bereits bestehenden Partnerschaft für Fachkräfte sind die Bundesministerien für Arbeit und Soziales, für Wirtschaft und Energie und für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die Bundesagentur für Arbeit, der DGB, die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, der Zentralverband des Deutschen Handwerks, der Deutsche Industrie- und Handelskammertrag, die IG Bergbau, Chemie, Energie, die IG Metall und die Verdi.



Ihre Fachkanzlei für Sozialrecht: Störmer & Hiesserich Rechtsanwälte

Mittwoch, 14. Oktober 2015

Versetzung an extrem weit entfernten Arbeitsort

Auch wenn ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer grundsätzlich einseitig versetzen darf, ist die Versetzung an einen weit entfernten Arbeitsort nur wirksam, wenn der Arbeitgeber die wechselseitigen Bedürfnisse abwägt und angemessen berücksichtigt. Dabei sind auch die privaten Interessen und familiären Verhältnisse maßgeblich.
Das hat das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein am 26.08.2015 entschieden (Az. 3 Sa 157/15).

Im zugrunde liegenden Fall wurde der Kläger und Vater dreier Kinder von seiner Arbeitgeberin an einen rund 660 km entfernten Einsatzort versetzt. Sein Arbeitsvertrag sah vor, dass er auch an Orten eingesetzt werden durfte, die er nicht täglich von seinem Wohnort aus erreichen kann. Er hatte jedoch geltend gemacht, kinderlose und ungebundene Arbeitnehmer hätten vorrangig Berücksichtigung finden müssen.

Sowohl das Arbeitsgericht als auch das LAG haben seiner Klage statt gegeben.
Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung über die Versetzung alle Umstände und gegenseitigen Interessen nach billigem Ermessen abwägen müssen. Dabei seinen auch die sozialen Lebensverhältnisse und familiären Belange zu berücksichtigen gewesen.
Unter mehreren Arbeitnehmern hätte die Arbeitgeberin daher denjenigen auswählen müssen, der am wenigsten schutzwürdig war.

Nach diesen Grundsätzen war die Versetzungsentscheidung vorliegend unbillig, da die Beklagte keinerlei Erwägungen zu berücksichtigungsfähigen Interessen des Klägers unternommen hatte.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


Ihre Ansprechpartner im Arbeitsrecht: Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich

Donnerstag, 24. September 2015

Kein Glück mit dem "geheimnisvollen Geräusch"

Mehrere Anrufe während der Arbeitspause von einem Telefonanschluss des Arbeitgebers bei einer kostenpflichtigen Hotline rechtfertigen keine fristlose Kündigung.
Das hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 16.09.2015 entschieden (Az. 12 Sa 630/15).

Im zugrunde liegenden Fall hatte die Klägerin, der es grundsätzlich gestattet war, über die Telefonanlage der Beklagten private Anrufe zu tätigen, ohne diese zu bezahlen, in den Arbeitspausen mehrere Anrufe bei einem lokalen Radiosender getätigt, um dort am Gewinnspiel "Das geheimnisvolle Geräusch" teilzunehmen. Jeder Anruf kostete 50 Cent.
Als dies dem Geschäftsführer der Beklagten bei der Kontrolle der Einzelverbindungsnachweise auffiel, räumte die Klägerin die Anrufe ein und bot an, den insgesamt für 37 Einheilten aufgelaufenen Betrag in Höhe von 18,50 € zu erstatten.
Drei Tage später kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos, hilfsweise fristgemäß.

Die erste Instanz hatte die fristlose Kündigung für unwirksam gehalten.
Das LAG hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.
Zwar lag nach dortiger Einschätzung eine Pflichtverletzung vor, denn auch wenn das private Telefonieren am Arbeitsplatz grundsätzlich gestattet sein, so sei es pflichtwidrig, diese Erlaubnis dazu zu nutzen, um an kostenpflichtigen Gewinnspielen teilzunehmen.
Allerdings habe die Pflichtverletzung nicht das Gewicht gehabt, eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Der Umstand, dass bei der Beklagten der Umfang der Privatnutzung betrieblich nicht geregelt gewesen sei, mindere den Verschuldensvorwurf gegenüber der Klägerin. Zudem seien die Anrufe in den Arbeitspausen erfolgt. Arbeitszeitbetrug habe insofern nicht vorgelegen.

Die ordentliche Kündigung hatte nicht im Streit gestanden und war von der Klägerin nicht angegriffen worden.

Das LAG hat die Revision nicht zugelassen.


Rechtsanwältin Hiesserich ist tätig in der Kanzlei Störmer & Hiesserich Rechtsanwälte in Steinfurt.

Donnerstag, 17. September 2015

Kündigung schwangerer Frauen: Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde

Die Kündigung einer schwangeren Frau ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde kann eine verbotene Benachteiligung wegen des Geschlechts (§ 1 AGG) darstellen und den Arbeitgeber zu einer Geldentschädigung verpflichten.
Das hat das LAG Berlin-Brandenburg am 16.09.2015 entschieden (Az. 23 Sa 1045/15).

Zugrunde lag eine Kündigung während der Probezeit.
Der Klägerin war bereits einmal zuvor gekündigt worden, obwohl sie dem Arbeitgeber gleich nach der Kündigung unter Vorlage des Mutterpasses mitgeteilt hatte, dass sie schwanger sei. Der Arbeitgeber hatte bereits dort keine Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde eingeholt, so dass die Klägerin das entsprechende Kündigungsschutzverfahren gewonnen hatte.
Einige Monate später kündigte der Beklagte ein zweites Mal, wieder ohne Zustimmung der Arbeitsschutzbehörde.

Nach Auffassung des LAG wurde die Klägerin durch die erneute Kündigung wegen ihres Geschlechts benachteiligt. Der Einwand des Arbeitgebers, er habe angenommen, die Schwangerschaft sei bereits beendet, war unbeachtlich, da keine Anhaltspunkte für das Ende der Schwangerschaft vorlagen und die Klägerin auch nicht verpflichtet war, den Arbeitgeber stets vom Fortbestand der Schwangerschaft zu unterrichten.

Die Revision wurde nicht zugelassen.


Die Autorin ist schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Arbeitsrechts tätig und zugleich Fachanwältin für Sozialrecht.

Donnerstag, 20. August 2015

Erste Verfassungsbeschwerden gegen Mindestlohn

Das Bundesverfassungsgericht hat drei Verfassungsbeschwerden gegen das Mindestlohn-Gesetz nicht zur Entscheidung angenommen, da diese entweder nicht dem Grundsatz der Subsidiarität genügten oder nicht ausreichend substantiiert waren (1 BvR 20/15, 1 BvR 37/15, 1 BvR 555/15).  

Das BVerfG hat darauf hingewiesen, dass vor einer Befassung zunächst die Fachgerichtsbarkeit in Anspruch zu nehmen ist.
Damit bleibt eine Entscheidung zum Mindestlohn in der Sache abzuwarten.


Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich - Ihre Fachkanzlei für Sozialrecht

Donnerstag, 6. August 2015

Anerkennung von Berufsqualifikationen

Um die Mobilität von beruflich Qualifizierten in der EU zu erhöhen, sollen die Verfahren zur Anerkennung von  Berufsqualifikationen in reglementierten Berufen innerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums modernisiert und vereinfacht werden.

Die Bundesregierung hat jetzt einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt (BT-Drs. 18/5326).


Die Autorin ist auf das Arbeitsrecht spezialisiert und außerdem Fachanwältin für Sozialrecht.

Mittwoch, 22. Juli 2015

Mindestlohn: Einbeziehung eines Leistungsbonus

Wie das Arbeitsgericht Düsseldorf in einem Urteil vom 20.04.2015 (Az. 5 Ca 1675/15) entschieden hat, handelt es sich bei einem Leistungsbonus um "Lohn im eigentlichen Sinn", der in die Berechnung des Mindestlohns einzubeziehen ist.

Der Leistungsbonus weise, anders als z. B. vermögenswirksame Leistungen, einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung auf. Solche Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeit mit Entgeltcharakter gezahlt würden, seien jedoch mindestlohnwirksam. Dabei komme es allein auf das Verhältnis zwischen dem tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Die Bezeichnung einzelner Leistungen sei nicht entscheidend. Dies entspreche dem Sinn und Zweck des MiLoG, dem oder der Vollzeitbeschäftigten durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts zu ermöglichen.

Die Klage auf weiteren Lohn wurde daher abgewiesen. 
Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig.


Rechsanwältin Hiesserich ist auf das Arbeits- und Sozialrecht spezialisiert.

Dienstag, 7. Juli 2015

Übersicht über das Arbeitsrecht / Arbeitsschutzrecht 2015/2016

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales weist in einer Pressemitteilung darauf hin, dass ab sofort eine aktuelle Übersicht über das Arbeitsrecht /Arbeitsschutzrecht inklusive CD-ROM für 36,00 € über den Buchhandel oder über den BW-Verlag zu beziehen ist.

Das Buch soll kompakt und praxisnah über das gesamte deutsche Arbeitsrecht informieren. Dabei geht es unter anderem um das neue Mindestlohngesetz, Änderungen im Pflegezeit- und Familienpflegezeitgesetz, die Neufassung des Tarifvertragsgesetzes, Regelungen zur Frauenquote, Neuigkeiten im Bereich der Berufskrankheiten sowie die Neufassung der Betriebssicherheitsverordnung und Änderung der Gefahrstoffverordnung.


Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich: Ihre Ansprechpartner im Arbeits- und Sozialrecht.

Mittwoch, 1. Juli 2015

Tarifeinheitsgesetz

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am 20.05.2015 für den Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Tarifeinheitsgesetz in seiner ursprünglichen Form gestimmt.

Laut Bundesregierung soll es Ziel des Gesetzes sein, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu sichern. Diese werde gefährdet, wenn mehrere Gewerkschaften in einem Unternehmen für eine Berufsgruppe Tarifabschlüsse durchsetzen wollten und es dabei zu "Kollisionen" komme, die der Aufgabe der Ordnung des Arbeitslebens nicht mehr gerecht würden. Das Gesetz solle im Fall von Konflikten die Tarifeinheit in einem Betrieb nach dem Mehrheitsprinzip ordnen. Die Interessen der "Minderheitsgewerkschaften" sollten durch "flankierende Verfahrensregeln" Berücksichtigung finden, unter anderem durch ein vorverlagertes Anhörungsrecht gegenüber der verhandelnden Arbeitgeberseite und ein nachgelagertes Nachzeichnungsrecht. Bestehenden Tarifverträgen werde bis zu einem Stichtag Bestandsschutz gewährt. Das Arbeitsgerichtsgesetz soll sodann den Regelungen zur Tarifeinheit angepasst werden.

Während CDU/CSU und SPD als Regierungsparteien das Gesetz in seiner ursprünglichen Form befürworten, kritisierten Bündnis90/die Grünen das Gesetz als unklar und unverhältnismäßig. Die Linke monierte, dass ein in der Verfassung verankertes Grundrecht von der Größe der beteiligten Vereinigung abhängig gemacht werde.


Die Autorin ist auf das Arbeitsrecht spezialisiert und zugleich Fachanwältin für Sozialrecht

Mittwoch, 24. Juni 2015

Elternzeit: nachträgliche Urlaubskürzung

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub nicht mehr wegen Elternzeit kürzen. Das hat das Bundesarbeitsgericht am 19.05.2015 entscheiden (Az. 9 AZR 725/13).

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Regelung des § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG, nach der der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel kürzen kann, voraussetzt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. 
Dies sei allerdings nicht mehr der Fall, wenn das Arbeitsverhältnis beendet sei und der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaubsabgeltung habe. Die bisherige Rechtsprechung zur Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe auf der sogenannten Surrogatstheorie beruht, die der Senat allerdings vollständig aufgegeben habe. Nach der neueren Rechtsprechung sei der Anspruch auf Urlaubsabgeltung nicht mehr Surrogat des Urlaubsanspruchs, sondern ein reiner Geldanspruch. Dieser verdanke seine Entstehung zwar urlaubsrechtlichen Vorschriften. Sei der Urlaubsanspruch entstanden, bilde er aber einen Teil des Arbeitnehmer-Vermögens und unterscheide sich in rechtlicher Hinsicht nicht von anderen Zahlungsansprüchen gegen den Arbeitgeber.



Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich - Ihre Fachkanzlei für Sozialrecht.

Mittwoch, 10. Juni 2015

Entgeltfortzahlung bei alkoholbedinger Arbeitsunfähigkeit

Ein langjährig alkoholabhängiger Arbeitnehmer verliert auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig nicht seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Das hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 18.03.2015 (Az. 10 AZR 99/14) entschieden.

Bei Alkoholabhängigkeit handele es sich um eine Krankheit, die grds. nicht vom Arbeitnehmer verschuldet ist. 
Eine Arbeitsunfähigkeit ist nur dann verschuldet i. S. v. § 3 Abs. 1 S 1 EFZG, wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Nur in einem solchen Fall verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehlt es nach Einschätzung des BAG suchtbedingt auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden. Bei einer Alkoholabhängigkeit handele es sich um eine Krankheit. Ihre Entstehung sei multikausal, wobei sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingten. Dies gelte grundsätzlich auch für einen Rückfall nach einer Therapie.
Zwar könne bei einer Abstinenzrate von 40 % bis 50 % je nach Studie und Art der Behandlung ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden. Allerdings könne der Arbeitgeber, gegen den vorliegend die zuständige Krankenkasse aus übergegangenem Recht geklagt hatte, dieses fehlende Verschulden bestreiten. Lasse es sich auch im Rahmen eines medizinischen Sachverständigen-Gutachtens nicht eindeutig feststellen, so gehe dies zu Lasten des Arbeitgebers.

Im konkreten Fall hatte das eingeholte sozialmedizinische Gutachten ein Verschulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus resultierenden Suchtdruck ausgeschlossen, so dass letztlich auch die Revision der beklagten Arbeitgeberin vor dem BAG keinen Erfolg hatte.


Die Autorin ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Störmer & Hiesserich in Steinfurt.

Mittwoch, 27. Mai 2015

Mindestlohn-Kommission

Heute vor einem viertel Jahr traf die Mindestlohn-Kommission zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammen, in der die Sozialpartner zukünftig über die Höhe des gesetzlichen Mindestlohns entscheiden werden.

Seit dem 01.01.2015 gilt ein gesetzlicher Mindeststundenlohn von 8,50 € brutto bundesweit, wobei diese Höhe erstmalig zum 30.06.2016 überprüft werden soll. Gewerkschaften und Arbeitgeber werden dann in der Kommission darüber beraten, wie hoch der Mindestlohn dann ab dem 01.01.2017 sein wird.

Die Kommission ist gleichberechtigt besetzt durch Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter und soll so nach dem Willen der Bundesarbeitsministerin Nahles die Tarifautonomie stärken. Auf gemeinsamen Vorschlag der Spitzenorganisationen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern hat den Vorsitz Hennig Voscherau übernommen. Außer ihm gehören sechs stimmberechtigte sowie zwei beratende Mitglieder zur Kommission. Alle fünf Jahre schlagen die Spitzenverbände von Arbeitnehmern und Arbeitgebern je drei Vertreterinnen oder Vertreter vor. Die zwei beratenen Mitglieder sind nicht stimmberechtigt. Sie sollen ihren wissenschaftlichen Sachverstand einbringen.

Bei der Festsetzung des Mindestlohns orientiert sich die Kommission an der Tarifentwicklung in Deutschland. Sie soll dabei prüfen, welcher Mindestlohn einen angemessenen Mindestschutz für die Beschäftigten bietet, faire Wettbewerbsbedingungen ermöglicht und die Beschäftigung nicht gefährdet. 

Bei ihrer Arbeit wird die Kommission unterstütz durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Dort wird auch die Geschäftsstelle der Kommission aufgebaut. Diese ist zugleich Informationsstelle sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Ab 2017 soll alle zwei Jahre eine Anpassung des Mindestlohns stattfinden.


Die Autorin ist neben ihrer Tätigkeit auf dem Gebiet des Arbeitsrechts Fachanwältin für Sozialrecht.

Mittwoch, 13. Mai 2015

Mindestlohn: Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung

Eine Änderungskündigung, mit der zusätzliches Urlaubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung zukünftig auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet wird, ist unwirksam.
Das hat das Arbeitsgericht Berlin am 04.03.2015 entschieden (Az. 54 Ca  14420/14).

Die dortige Beklagte hatte das bestehende Arbeitsverhältnis, nach dem die Arbeitnehmerin bislang zu einer Grundvergütung von 6,44 € pro Stunde zuzüglich Leistungszulage und Schichtzuschlägen beschäftigt war und ein zusätzliches Urlaubsgeld sowie eine nach Dauer der Betriebszugehörigkeit gestaffelte Sonderzahlung erhielt, gekündigt und zugleich angeboten, das Arbeitsverhältnis mit einem Stundenlohn von 8,50 € bei Wegfall der Leistungszulage, des zusätzlichen Urlaubsgeldes und der Jahressonderzahlung fortzusetzen.

Eine solche Änderungskündigung sei unwirksam, weil der gesetzliche Mindestlohn unmittelbar die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten solle. Der Arbeitgeber dürfe daher Leistungen, die nicht diesem Zweck dienten, nicht auf den Mindestlohn anrechnen. Hierzu gehörten auch das zusätzliche Urlaubsgeld und die Jahressonderzahlung, so das Arbeitsgericht Berlin in seiner Entscheidung. 

Gegen das Urteil ist die Berufung an das LAG Berlin-Brandenburg zulässig.


Rechtsanwältin Hiesserich ist Ihre Ansprechpartnerin sowohl in arbeits- als auch in sozialrechtlichen Fragen.

Montag, 20. April 2015

Videoaufnahmen des Arbeitgebers (II)

Eine ohne Einschränkung erteilte Einwilligung des Arbeitnehmers zu Veröffentlichung von Videoaufnahmen erlischt nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses (Urteil des BAG vom 19.02.2015, Az. 8 AZR 1011/13).

Der dortige Kläger hatte seinerzeit seine schriftliche Einwilligung erteilt, dass die Beklagte von ihm als Teil der Belegschaft Filmaufnahmen machen und diese für ihre Öffentlichkeitsarbeit verwenden und ausstrahlen durfte. Das entsprechende Video konnte auf der Homepage der Beklagten eingesehen werden. Nachdem folgend das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien geendet hatte, erklärte der Kläger den Widerruf der von ihm erteilten Einwilligung und forderte die Beklagte auf, das Video binnen zehn Tagen aus dem Netz zu entfernen. Er verlangt nunmehr die Unterlassung weiterer Veröffentlichung und Schmerzensgeld.

Seine Revision gegen die abweisende vorinstanzliche Entscheidung blieb ohne Erfolg.

Das BAG betonte, der später vom Kläger erklärte Widerruf seiner nach § 22 KUG erteilten schriftlichen Einwilligung sei zwar grundsätzlich möglich gewesen. Allerdings habe er für diese gegenläufige Ausübung seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung keinen plausiblen Grund angegeben. Er könne deshalb eine weitere Veröffentlichung nicht untersagen lassen und würde durch eine solche auch nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt.



Weitere Informationen zum Arbeitsrecht finden Sie auf der Internetseite der Kanzlei Störmer & Hiesserich.

Mittwoch, 8. April 2015

Schicht- und Zeitzuschläge: Unpfändbarkeit

Ansprüche eines überschuldeten Arbeitnehmers auf Schichtzulagen sowie auf Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sind unpfändbar und können nicht abgetreten werden, so das LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 09.01.2015.

Der Kläger ist beim beklagten Landkreis als Angestellter beschäftigt und hatte im Rahmen eines Privatinsolvenzverfahrens seine pfändbaren Bezüge an eine Treuhänderin abgetreten. Mit seiner Klage hat er die Auszahlung von tariflichen Wechselschichtzulage sowie Zuschlägen für Dienste zu ungünstigen Zeiten geltend gemacht.

Das LAG hat die erstinstanzliche Auffassung bestätigt, dass "Schmutz- und Erschwerniszulagen" gem. § 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar sind, wobei zwischen verschiedenen Erschwernissen der Arbeit nicht unterschieden wird. Sie könnten sich sowohl aufgrund der Art der Tätigkeit als auch durch wechselnde Dienstschichten oder Arbeitsleistung in der Nacht bzw. an Feiertagen ergeben. Dies führe zur Unpfändbarkeit von Schichtzulagen und von Zuschlägen für Arbeiten zu ungünstigen Zeiten. Diese könnten nicht nach § 400 BGB abgetreten werden.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und wegen einer Abweichung von Entscheidungen anderer LAGe hat das LAG die Revision zugelassen.


Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich - Ihre Kanzlei im Münsterland

Donnerstag, 2. April 2015

Verdachtskündigung bei Azubis

Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung eines Azubis kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Ausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht, so das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 12.02.2015, Az. 6 AZR 845/13.

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert. Nachdem er das sich in den Nachttresor-Kassetten einer Filiale befindliche Geld gezählt hatte, wurde ein Kassenfehlbestand von 500 € festgestellt. In einem darauf folgenden Personalgespräch nannte er dann von sich aus die Höhe des Fehlbetrages, obwohl er nur auf eine unbezifferte Kassendifferenz angesprochen worden war. Der Ausbildende hatte daraufhin das Ausbildungsverhältnis wegen des durch die Offenbarung von Täterwissen begründeten Verdachts der Entwendung des Fehlbetrages gekündigt.

Der Kläger war daraufhin der Meinung, ein Berufsausbildungsverhältnis könne nicht durch eine Verdachtskündigung beendet werden. Außerdem habe es an einer ordnungsgemäßen Anhörung gefehlt, da ihm vor dem Gespräch nicht mitgeteilt worden sein, dass er mit einer Kassendifferenz konfrontiert werden sollte. Auch sei er nicht auf die Möglichkeit der Einschaltung einer Vertrauensperson hingewiesen worden.

Die Revision des Klägers hatte, nachdem die Klage bereits in den Vorinstanzen abgewiesen worden war, keinen Erfolg.
Das BAG hat bestätigt, dass es weder einer vorherigen Bekanntgabe des Gesprächsthemas noch eines Hinweises bezüglich der möglichen Kontaktierung einer Vertrauensperson bedurfte. Auch Datenschutzrecht habe der Beweiserhebung und -Verwertung nicht entgegen gestanden.


Viola Hiesserich ist Rechtsanwältin in Steinfurt.

Dienstag, 31. März 2015

Videoaufnahmen des Arbeitgebers (I)

Ein Arbeitgeber, der wegen eines Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht, so das BAG mit Urteil vom 19.02.2015 ( Az. 8 AZR 1007/13). Dies gilt auch für heimlich hergestellte Abbildungen. 
Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Schmerzensgeldanspruch begründen.

Vorliegend hielt die Klägerin, die an vier Tagen dergestalt observiert und samt Ehemann und Hund per Videoaufnahme festgehalten wurde, ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,- € für angemessen. Zugesprochen wurden letztlich zweitinstanzlich 1.000,00 €, was revisionsrechtlich nicht zu korrigieren war.

Der Beweiswert der von der Klägerin seinerzeit dem Arbeitgeber vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten noch durch eine Änderung im Krankheitsbild noch durch eine hausärztliche Behandlung eines damals geltend gemachten Bandscheibenvorfalls. Der Verdacht des Arbeitgebers sei nicht durch konkrete Tatsachen begründet gewesen, so dass seine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin begründet habe.

Wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wen ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist, hat das BAG ausdrücklich offen gelassen.



Mittwoch, 25. März 2015

Befristung des Arbeitsvertrags nach Erreichen der Regelaltersgrenze

Wie das Bundesarbeitsgericht am 11.02.2015 (Az. 7 AZR 17/13) entschieden hat, rechtfertigt allein der Bezug von gesetzlicher Altersrente die Befristung des Arbeitsverhältnisses aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG) nicht.

Im zugrunde liegenden Fall enthielt der befristete Vertrag des Klägers eine Abrede, nach der der Kläger eine noch einzustellende Ersatzkraft einarbeitet. Nach Ansicht des BAG sei es deshalb erforderlich gewesen, dass die Befristung einer konkreten Nachwuchsplanung der Beklagten diente. Da das LAG (Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.11.2012, Az. 12 Sa 1303/12) hierzu keine konkreten Feststellungen getroffen hatte, hat das BAG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück verwiesen.


Die Autorin beschäftigt sich in ihrer täglichen Arbeit vorwiegend mit Arbeitsrecht und ist zugleich Fachanwältin für Sozialrecht.

Montag, 23. März 2015

Freistellung nach fristloser, hilfsweise fristgemäßer Kündigung

Kündigt ein Arbeitgeber fristlos, hilfsweise fristgemäß, und erklärt er zugleich, dass der Arbeitnehmer im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt wird, gewährt er dem Arbeitnehmer nur dann wirksam Urlaub, wenn er ihm die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

Das hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 10.02.2015 entschieden (Az. 9 AZR 455/13).

Nach § 1 BUrlG setze die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub neben der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch die Zahlung der Vergütung voraus. Deshalb gewähre ein Arbeitgeber in einem Kündigungsschreiben durch die Freistellungserklärung nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahle oder vorbehaltlos zusage.


Viola Hiesserich ist Rechtsanwältin in Steinfurt.



Freitag, 20. Februar 2015

In eigener Sache

Es freut mich, mitteilen zu können, dass der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamm mir die Berechtigung zuerkannt hat, die Bezeichnung "Fachanwältin für Sozialrecht" zu führen, nachdem ich im letzten Jahr an der Hagen-Law-School meine Fachanwaltsausbildung mit dem dort besten Notendurchschnitt in 2014 bundesweit abgeschlossen habe.

Ihre Rechtsanwältin Viola Hiesserich


Donnerstag, 5. Februar 2015

Kamera-Attrappe / Mitbestimmung des Betriebsrats

Bei der Anbringung einer Videokamera-Attrappe im Außenbereich des Arbeitgebergeländes muss nicht zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt werden, so das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in einer Entscheidung vom 12.11.2014 (Az. 3 TaBV 5/14).
Weder bestehe hier ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG, da die Attrappe schon objektiv nicht geeignet sei, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, noch sei ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs.1 Nr. 1 BetrVG gegeben. Erstens wirke sich die Anbringung im Außenbereich nicht auf das innerbetriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer aus und zweitens sei nicht ersichtlich, welche konkreten Mitgestaltungsrechte sich diesbezüglich ergeben sollten. Eine Nutzung des bei der Attrappe befindlichen Eingangs könne durch die Arbeitnehmer auch weiterhin erfolgen, ohne dass diese zusätzlichen Regelungen unterworfen seien. Durch die Attrappe werde dabei gerade nicht kontrolliert, wer wann das Gebäude durch den betroffenen Zugang betrete oder verließe.
Auch eine analoge Anwendung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 scheide aus, da Eingriffe in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch anonyme technische Kontrolleinrichtungen in Form einer Attrappe erkennbar nicht zu erwarten seien.


Die Autorin ist Rechtsanwältin in Steinfurt.

Dienstag, 3. Februar 2015

Betriebliches Eingliederungsmanagement - Hinzuziehung Rechtsbeistand

Beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) gibt es keinen Anspruch auf "Waffengleichheit" in Form der Hinzuziehung eines Rechtsbeistands.
Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt geschwächt ist oder auf Seiten des Arbeitgebers mehrere Personen am Gespräch beteiligt sind.
Das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 18.12.2014 klargestellt und damit die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt (Az. 5 Sa 518/14).
Im Unterschied zur Verdachtskündigung, bei der die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands durch den Arbeitnehmer anerkannt ist, ist der Arbeitgeber bei einem BEM-Gespräch nicht verpflichtet, eine solche Begleitung zu dulden. Wer an einem solchen Gespräch zwingend und potentiell zu beteiligen ist, ergibt sich abschließend aus § 84 Abs. 2 SGB IX. Dass die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands des Arbeitnehmers hier nicht vorgesehen ist, sei eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB unterlaufen werden dürfe. Auch die Situation einer Verdachtskündigung sei mit der eines BEM nicht vergleichbar, denn dies sei im Gegensatz zur Verdachtskündigung gerade nicht auf die Auflösung, sondern im Gegenteil auf die Erhaltung des Arbeitsverhältnisses gerichtet.


Rechtsanwältin Hiesserich ist nicht nur schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht, sondern auch im Sozialrecht tätig.

Mittwoch, 28. Januar 2015

Facebook-Seite des Arbeitgebers: keine Mitbestimmung des Betriebsrats

Die Facebook-Seite eines Arbeitgebers ist keine technische Einrichtung, die dazu dient, die Mitarbeiter zu überwachen. Sie unterliegt deshalb nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates, so das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 12.01.2015 (Az. 9 Ta BV 51/14).
Technische Einrichtungen im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG setzten voraus, dass sie zumindest teilweise aus sich heraus automatisiert Aufzeichnungen über die Mitarbeiter erstelle. Das sei allerdings, wie vorliegend, dann nicht der Fall, wenn die Seite (auch) dazu diene, dass Dritte individuelle Beschwerden über Mitarbeiter eintragen könnten. Auch die Möglichkeit, die Seite mittels integrierter Werkzeuge zu durchsuchen, sei keine automatische Aufzeichnung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.  Eine Ausnahme käme allenfalls bei den Mitarbeitern in Betracht, die die Seite pflegen. Diese nutzten allerdings alle den gleichen allgemeinen Zugang, so dass kein Rückschluss auf das Verhalten oder die Leistung einzelner Mitarbeiter möglich sei.

Das LAG hat die Rechtsbeschwerde zugelassen.


Viola Hiesserich ist sowohl im Arbeitsrecht als Sozialrecht tätig.

Dienstag, 27. Januar 2015

Arbeitnehmerhaftung bei Unternehmenskartellbußen

Ein Unternehmen, gegen das Bußgelder wegen rechtswidriger Kartellabsprachen verhängt wurden, kann den für den Kartellrechtsverstoß verantwortlichen Mitarbeiter nicht in Regress nehmen.
Das hat Landesarbeitsgericht Düsseldorf am 20.01.2015 entschieden (Az. 16 Sa 459/14, 
16 Sa 460/14, 16 Sa 458/14).
Im zugrunde liegenden Fall (sog. "Schienenkartell") hatte das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von 103 Mio. € und 88 Mio. € verhängt. Der Thyssen-Krupp-Konzern als ehemaliger Arbeitgeber nahm in Folge dessen nun seinen ehemaligen Mitarbeiter, den von 2003 bis 2009 bei der Klägerin als Geschäftsführer tätigen Beklagten, auf Erstattung von insgesamt 191 Mio. € in Anspruch.
Das LAG hat jedoch die Erstattungsfähigkeit der gegenüber der Gesellschaft verhängten Buße im Verhältnis zum Beklagten als natürliche Person verneint, was sich aus der Funktion der Buße als Vorteilsabschöpfung beim Unternehmen ergäbe. Dieser Sinn und Zweck würde unterlaufen, wenn das Bußgeld an die handelnde Person weiter gegeben werden könnte. Insofern unterscheide das Kartellrecht auch zwischen Bußen gegen Unternehmen und gegen natürliche Personen, bei denen die Bußen auf 1 Mio. € begrenzt seien, während bei Unternehmen die Buße 10 % des Gesamtumsatzes ausmachen könne.
Das LAG Düsseldorf hat die Revision insofern zugelassen.

Hinsichtlich der mit der Klage verbundenen Feststellungsanträge, die auf Feststellung der Haftung für entstandene und noch entstehende Schäden gerichtet sind, hat das LAG Düsseldorf das Verfahren im Hinblick auf die im Strafverfahren zu erwartende Beweisaufnahme und die damit verbundene Möglichkeit der Sachaufklärung gem. § 149 ZPO ausgesetzt.


Die Autorin ist Rechtsanwältin in Steinfurt.