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Mittwoch, 20. Februar 2019

Urlaubsverfall: Hinweisobliegenheit des Arbeitgebers

Resturlaub von Arbeitnehmern verfällt mit Ablauf des Urlaubsjahres nur noch, wenn der Arbeitgeber zuvor hierauf hingewiesen und dazu aufgefordert hat, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen.
Mit seinem Urteil vom 19.02.2019 (9 AZR 541/15) setzt das Bundesarbeitsgericht das sogenannte "Shimizu-Urteil" des EuGH um. 
Darin hatte der EuGH im November 2018 über zwei vom BAG vorgelegte Fälle entschieden (EuGH, Urteil vom 06.11.2018, Az. C-684/16 "Shimizu", Urteil vom 06.11.2018, Az. C-619/16 "Kreuziger"), dass der europarechtlich vorgesehene Mindesturlaub von vier Wochen am Jahresende nicht allein deshalb verfallen darf, weil der Arbeitnehmer keinen Urlaub beantragt hat. 
Hintergrund ist Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeit-Richtlinie (Richtlinie 2003/88/EG), wonach Mitgliedsstaaten der EU sicherstellen müssen, dass jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Urlaub von mindestens vier Wochen pro Jahr "erhält". 

Nach den Vorgaben des EuGH tritt die für den Arbeitnehmer nachteilige Rechtsfolge des Verfalls nur noch dann ein, wenn zuvor eine konkrete Aufforderung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer erfolgt ist, den Urlaub zu nehmen und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaubsanspruch anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres bzw. des Übertragungszeitraums verfällt.

Zwar seinen Arbeitgeber nun nicht gehalten, Arbeitnehmer von sich aus am Ende des Kalenderjahres bzw. des Übertragungszeitraums in den Urlaub zu schicken, es verbleibe insofern grds. bei den Regelungen des § 7 Abs. 1 S. 1 BUrlG.
Allerdings trage nunmehr der Arbeitgeber die "Initiativlast für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs."
Diese Obliegenheit erfülle er durch konkrete Aufforderung zum Urlaub und den "klaren und rechtzeitigen Hinweis auf den anderenfalls eintretenden Urlaubsverfall.".

Den Rechtsstreit des Herrn Shimizu gegen seine Arbeitgeberin hat das BAG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG München zurück verwiesen.


Ihre Ansprechpartner im Arbeits- und Sozialrecht: Rechtsanwälte Störmer & Hiesserich aus Steinfurt.

Freitag, 8. Februar 2019

Aufhebungsvertrag: Abschluss außerhalb der Arbeitgeber-Räumlichkeiten

Dass ein Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag nicht innerhalb der Geschäfts-Räumlichkeiten des Arbeitgebers, sondern in seiner Privatwohnung geschlossen hat, berechtigt grds. nicht zum Widerruf.

Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 07.02.2019, Az. 6 AZR 75/18).

Allerdings kann sich eine Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages ergeben, wenn dieser unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist.

Im vorliegenden Fall waren Anlass und Ablauf der Vertragsverhandlungen umstritten. Die klagende Arbeitnehmerin hatte geltend gemacht, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkrankt gewesen zu sein. Letztendlich hat sie den Aufhebungsvertrag wegen Irrtums, arglistiger Täuschung und widerrechtlicher Drohung angefochten, hilfsweise widerrufen.

Das BAG hat auf die Revision der Klägerin das abweisende Urteil des LAG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück verwiesen.

Nach Ansicht des BAG war dem Vortrag der Klägerin kein Anfechtungsgrund zu entnehmen und der Widerruf eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich.
Zwar habe der Gesetzgeber in § 312 Abs. 1 i. V. m. § 312g BGB Verbrauchern bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden, ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB eingeräumt und Arbeitnehmer seinen auch Verbraucher.
Allerdings seien arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nach dem Willen des Gesetzgebers nicht in den Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB einzubeziehen.

Möglicherweise sei hier aber das Gebot des fairen Verhandelns als arbeitsvertragliche Nebenpflicht verletzt worden. Dies sei der Fall, wenn eine Partei eine psychische Drucksituation schaffe, die der anderen Partei eine freie und überlegte Entscheidung erheblich erschwere. Das sei z. B. dann der Fall, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche bewußt ausgenutzt werde. In einem solchen Fall stünden Schadensersatzansprüche gegen die andere Partei, hier die Arbeitgeberin im Raum. Diese habe dann im Wege der sogenannten "Naturalrestitution" den Zustand herzustellen, der bestanden hätte, wenn die Arbeitnehmerin den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen hätte. Dies wiederum würden zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses führen.
Im zugrunde liegenden Fall hatte das LAG Hannover die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages unter diesem Blickwinkel erneut zu beurteilen.


Viola Hiesserich ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Sozialrecht.