Erstmalig hat jetzt das Urteil des EuGH vom 19.01.2010 (Rs. C-555/07) bei einer Entscheidung des LAG Düsseldorf Berücksichtigung gefunden, auch wenn es sich dabei „nur“ um eine Kostenentscheidung handelte. Damit kam dann auch der Rechtsstreit zum Abschluss, der letztlich Auslöser des EuGH-Urteils gewesen war. Ausgangspunkt war eine Kündigungsschutzklage der Frau Kücükdeveci, die nach zehn Jahren von ihren Arbeitgeber mit einer Frist von einem Monat (hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitpunkt) gekündigt worden war. Mit der Klage war eben diese, nach Meinung der Klägerin zu kurze Kündigungsfrist, die auf der gesetzlich geregelten Nicht-Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr beruhte, angegriffen worden. Das inzwischen befasste LAG setzte das Verfahren hinsichtlich der Kündigungsfrist aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob § 622 Abs. 2 S. 2 BGB mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sei und welche Folgen sich bei einer eventuellen Unvereinbarkeit ergäben.
Der EuGH hat daraufhin die Norm als gemeinschaftsrechtswidrig eingestuft. Die Nichtberücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr führe zu einer Diskriminierung wegen des Alters, die jedoch grundsätzlich unzulässig sei. Die Parteien einigten sich daraufhin im Vergleichswege und baten das Gericht, über die Kosten nach § 91 a ZPO zu entscheiden. Demnach hatte die Klägerin die Kosten zu 2/3 zu tragen, da sie dem Grunde nach mit ihrer Kündigungsschutzklage unterlegen war. 1/3 der Kosten wurden allerdings dem Beklagten auferlegt, da die Klägerin vor dem Hintergrund des EuGH-Urteils in Bezug auf die Kündigungsfrist obsiegt hätte. Das LAG hat insbesondere dargelegt, dass der Arbeitgeber auch nicht unter Vertrauensschutz-Gesichtspunkten zu schützen war. Zu dem Aspekt des Vertrauensschutzes hatte der EuGH zwar nicht explizit Stellung genommen. Das LAG ist jedoch nach Interessenabwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass das Recht der Arbeitnehmerin auf diskriminierungsfreie Gleichbehandlung das Vertrauen des Arbeitgebers in die Anwendbarkeit der gesetzlichen Altersschwelle überwog. Demnach scheidet die Gewährung von Vertrauensschutz immer dann aus, wenn zwischen den Beteiligten ein noch offener Streit über die Kündigung schwebt und die rückwirkende Verlängerung der Kündigungsfrist für den Arbeitgeber keine unzumutbare Härte bedeutet oder seine Existenz gefährdet. Eine Gewährung von Vertrauensschutz kommt jedoch immer dann in Betracht, wenn das Gericht über einen Sachverhalt zu entscheiden hat, der vor Veröffentlichung des EuGH-Urteils bereits abgeschlossen war, weil der Arbeitnehmer eine Kündigung mit zu kurzer Frist hingenommen hat. Dies ergibt sich über die zivilrechtliche Generalklausel des § 242 BGB in Zusammenhang mit dem Institut der Verwirkung.
Original eingestellt von Rechtsanwältin Viola Hiesserich am 24. März 2010 um 17:17