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Donnerstag, 2. April 2015

Verdachtskündigung bei Azubis

Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung eines Azubis kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Ausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht, so das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 12.02.2015, Az. 6 AZR 845/13.

Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Ausbildung zum Bankkaufmann absolviert. Nachdem er das sich in den Nachttresor-Kassetten einer Filiale befindliche Geld gezählt hatte, wurde ein Kassenfehlbestand von 500 € festgestellt. In einem darauf folgenden Personalgespräch nannte er dann von sich aus die Höhe des Fehlbetrages, obwohl er nur auf eine unbezifferte Kassendifferenz angesprochen worden war. Der Ausbildende hatte daraufhin das Ausbildungsverhältnis wegen des durch die Offenbarung von Täterwissen begründeten Verdachts der Entwendung des Fehlbetrages gekündigt.

Der Kläger war daraufhin der Meinung, ein Berufsausbildungsverhältnis könne nicht durch eine Verdachtskündigung beendet werden. Außerdem habe es an einer ordnungsgemäßen Anhörung gefehlt, da ihm vor dem Gespräch nicht mitgeteilt worden sein, dass er mit einer Kassendifferenz konfrontiert werden sollte. Auch sei er nicht auf die Möglichkeit der Einschaltung einer Vertrauensperson hingewiesen worden.

Die Revision des Klägers hatte, nachdem die Klage bereits in den Vorinstanzen abgewiesen worden war, keinen Erfolg.
Das BAG hat bestätigt, dass es weder einer vorherigen Bekanntgabe des Gesprächsthemas noch eines Hinweises bezüglich der möglichen Kontaktierung einer Vertrauensperson bedurfte. Auch Datenschutzrecht habe der Beweiserhebung und -Verwertung nicht entgegen gestanden.


Viola Hiesserich ist Rechtsanwältin in Steinfurt.

Dienstag, 31. März 2015

Videoaufnahmen des Arbeitgebers (I)

Ein Arbeitgeber, der wegen eines Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit einem Detektiv die Überwachung eines Arbeitnehmers überträgt, handelt rechtswidrig, wenn sein Verdacht nicht auf konkreten Tatsachen beruht, so das BAG mit Urteil vom 19.02.2015 ( Az. 8 AZR 1007/13). Dies gilt auch für heimlich hergestellte Abbildungen. 
Eine solche rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann einen Schmerzensgeldanspruch begründen.

Vorliegend hielt die Klägerin, die an vier Tagen dergestalt observiert und samt Ehemann und Hund per Videoaufnahme festgehalten wurde, ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,- € für angemessen. Zugesprochen wurden letztlich zweitinstanzlich 1.000,00 €, was revisionsrechtlich nicht zu korrigieren war.

Der Beweiswert der von der Klägerin seinerzeit dem Arbeitgeber vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei weder dadurch erschüttert, dass sie von unterschiedlichen Ärzten stammten noch durch eine Änderung im Krankheitsbild noch durch eine hausärztliche Behandlung eines damals geltend gemachten Bandscheibenvorfalls. Der Verdacht des Arbeitgebers sei nicht durch konkrete Tatsachen begründet gewesen, so dass seine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin begründet habe.

Wie Videoaufnahmen zu beurteilen sind, wen ein berechtigter Anlass zur Überwachung gegeben ist, hat das BAG ausdrücklich offen gelassen.



Mittwoch, 25. März 2015

Befristung des Arbeitsvertrags nach Erreichen der Regelaltersgrenze

Wie das Bundesarbeitsgericht am 11.02.2015 (Az. 7 AZR 17/13) entschieden hat, rechtfertigt allein der Bezug von gesetzlicher Altersrente die Befristung des Arbeitsverhältnisses aus in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen (§ 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG) nicht.

Im zugrunde liegenden Fall enthielt der befristete Vertrag des Klägers eine Abrede, nach der der Kläger eine noch einzustellende Ersatzkraft einarbeitet. Nach Ansicht des BAG sei es deshalb erforderlich gewesen, dass die Befristung einer konkreten Nachwuchsplanung der Beklagten diente. Da das LAG (Berlin-Brandenburg, Urt. v. 20.11.2012, Az. 12 Sa 1303/12) hierzu keine konkreten Feststellungen getroffen hatte, hat das BAG die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurück verwiesen.


Die Autorin beschäftigt sich in ihrer täglichen Arbeit vorwiegend mit Arbeitsrecht und ist zugleich Fachanwältin für Sozialrecht.

Montag, 23. März 2015

Freistellung nach fristloser, hilfsweise fristgemäßer Kündigung

Kündigt ein Arbeitgeber fristlos, hilfsweise fristgemäß, und erklärt er zugleich, dass der Arbeitnehmer im Falle der Wirksamkeit der hilfsweise fristgemäßen Kündigung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt wird, gewährt er dem Arbeitnehmer nur dann wirksam Urlaub, wenn er ihm die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt.

Das hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 10.02.2015 entschieden (Az. 9 AZR 455/13).

Nach § 1 BUrlG setze die Erfüllung des Anspruchs auf Erholungsurlaub neben der Freistellung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung auch die Zahlung der Vergütung voraus. Deshalb gewähre ein Arbeitgeber in einem Kündigungsschreiben durch die Freistellungserklärung nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahle oder vorbehaltlos zusage.


Viola Hiesserich ist Rechtsanwältin in Steinfurt.



Freitag, 20. Februar 2015

In eigener Sache

Es freut mich, mitteilen zu können, dass der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Hamm mir die Berechtigung zuerkannt hat, die Bezeichnung "Fachanwältin für Sozialrecht" zu führen, nachdem ich im letzten Jahr an der Hagen-Law-School meine Fachanwaltsausbildung mit dem dort besten Notendurchschnitt in 2014 bundesweit abgeschlossen habe.

Ihre Rechtsanwältin Viola Hiesserich


Donnerstag, 5. Februar 2015

Kamera-Attrappe / Mitbestimmung des Betriebsrats

Bei der Anbringung einer Videokamera-Attrappe im Außenbereich des Arbeitgebergeländes muss nicht zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt werden, so das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in einer Entscheidung vom 12.11.2014 (Az. 3 TaBV 5/14).
Weder bestehe hier ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG, da die Attrappe schon objektiv nicht geeignet sei, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, noch sei ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs.1 Nr. 1 BetrVG gegeben. Erstens wirke sich die Anbringung im Außenbereich nicht auf das innerbetriebliche Zusammenleben der Arbeitnehmer aus und zweitens sei nicht ersichtlich, welche konkreten Mitgestaltungsrechte sich diesbezüglich ergeben sollten. Eine Nutzung des bei der Attrappe befindlichen Eingangs könne durch die Arbeitnehmer auch weiterhin erfolgen, ohne dass diese zusätzlichen Regelungen unterworfen seien. Durch die Attrappe werde dabei gerade nicht kontrolliert, wer wann das Gebäude durch den betroffenen Zugang betrete oder verließe.
Auch eine analoge Anwendung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 scheide aus, da Eingriffe in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer durch anonyme technische Kontrolleinrichtungen in Form einer Attrappe erkennbar nicht zu erwarten seien.


Die Autorin ist Rechtsanwältin in Steinfurt.

Dienstag, 3. Februar 2015

Betriebliches Eingliederungsmanagement - Hinzuziehung Rechtsbeistand

Beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) gibt es keinen Anspruch auf "Waffengleichheit" in Form der Hinzuziehung eines Rechtsbeistands.
Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer krankheitsbedingt geschwächt ist oder auf Seiten des Arbeitgebers mehrere Personen am Gespräch beteiligt sind.
Das hat das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 18.12.2014 klargestellt und damit die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt (Az. 5 Sa 518/14).
Im Unterschied zur Verdachtskündigung, bei der die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands durch den Arbeitnehmer anerkannt ist, ist der Arbeitgeber bei einem BEM-Gespräch nicht verpflichtet, eine solche Begleitung zu dulden. Wer an einem solchen Gespräch zwingend und potentiell zu beteiligen ist, ergibt sich abschließend aus § 84 Abs. 2 SGB IX. Dass die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands des Arbeitnehmers hier nicht vorgesehen ist, sei eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die auch nicht durch den Grundsatz von Treu und Glauben aus § 242 BGB unterlaufen werden dürfe. Auch die Situation einer Verdachtskündigung sei mit der eines BEM nicht vergleichbar, denn dies sei im Gegensatz zur Verdachtskündigung gerade nicht auf die Auflösung, sondern im Gegenteil auf die Erhaltung des Arbeitsverhältnisses gerichtet.


Rechtsanwältin Hiesserich ist nicht nur schwerpunktmäßig im Arbeitsrecht, sondern auch im Sozialrecht tätig.