Seit einiger Zeit ist immer mehr zu beobachten, dass die jahrzehntelange gefestigte Rechtsprechung hinsichtlich außerordentlicher Kündigungen wegen Bagatelldiebstählen ins Wanken gerät. Auch in der jüngst veröffentlichten Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 10.02.2010 (Az. 13 Sa 59/09) hatte der Kläger Erfolg, nachdem ihm bereits die erste Instanz Recht gegeben hatte. Diesmal ging es um die Entwendung eines Kinderbettes ohne wirtschaftlichen Wert, das sich bereits im Müll befand. Das LAG war nach Interessenabwägung zu dem Ergebnis gekommen, dass das Interesse des Klägers am Bestand des Arbeitsverhältnisses das Beendigungsinteresse des Beklagten überwog. Dieser Fall erscheint hinsichtlich des geringen wirtschaftlichen Wertes vergleichbar mit inzwischen zahlreichen Fällen, die über die Presse einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Bekannte und weniger bekannte Persönlichkeiten haben sich zu dem Thema geäußert und meist kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele Politiker hier vor allem die Chance wittern, ihre ramponierten Sympathiewerte aufzubessern, indem sie der ziemlich einhelligen öffentlichen Meinung beipflichten. Gleich, ob Internet, Fernsehen, Radio oder Printmedien, die Empörung kennt keine Grenzen, wenn es um Kündigungen geht, die aufgrund von Bagatelldiebstählen ausgesprochen werden. Dabei hätte jede einzelne dieser Kündigungen von den Betroffenen selbst verhindert werden können. Aber vor den Wogen der Emotionalität haben es die Fakten und rechtlichen Hintergründe schwer, sich Gehör zu verschaffen. Zunächst dürfte es, wie in der Vergangenheit auch, unstreitig sein, dass nicht der hohe oder niedrige Wert des entwendeten Gegenstandes die entsprechenden Arbeitgeber zur Kündigung veranlasst hat. Vielmehr wurde bisher immer abgestellt auf die Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Diese Zerrüttung liegt vor allem darin begründet, dass der Arbeitnehmer eigenmächtig Dispositionen über das Eigentum eines Dritten, in dem Falle das des Arbeitgebers, trifft. Es erscheint nachvollziehbar, wenn es der Arbeitgeber für die Zukunft (und dann möglicherweise bei wesentlich weitreichenderem Handeln des Arbeitnehmer) ausschließen möchte, dass ihm dann gegebenenfalls ein wesentlich größerer Schaden entsteht. Die allgemeine öffentliche Empörung verliert spätestens dann ihre Berechtigung, wenn man sich vor Augen führt, wie jeder einzelne Arbeitnehmer eine Kündigung hätte vermeiden können, nämlich, indem er seinen Arbeitgeber einfach gefragt hätte: „Darf ich das ?“ Diese mitsamt Antwort nur wenige Sekunden in Anspruch nehmende Frage kann ohne Weiteres jedem Arbeitnehmer zugemutet werden. Ein Aufwand, der einem der Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes jedenfalls wert sein sollte. Stimmt der Arbeitgeber zu, darf man sich sicher sein, keine negativen Konsequenzen bis hin zur Kündigung erwarten zu müssen. Lehnt der Arbeitgeber ab und man setzt sich über dieses Verbot hinweg, darf man jedenfalls bezweifeln, dass die Mehrheit der jetzt so Empörten Mitleid empfinden wird.