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Mittwoch, 10. Juni 2015

Entgeltfortzahlung bei alkoholbedinger Arbeitsunfähigkeit

Ein langjährig alkoholabhängiger Arbeitnehmer verliert auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig nicht seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Das hat das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 18.03.2015 (Az. 10 AZR 99/14) entschieden.

Bei Alkoholabhängigkeit handele es sich um eine Krankheit, die grds. nicht vom Arbeitnehmer verschuldet ist. 
Eine Arbeitsunfähigkeit ist nur dann verschuldet i. S. v. § 3 Abs. 1 S 1 EFZG, wenn ein Arbeitnehmer in erheblichem Maße gegen das von einem verständigen Menschen in seinem eigenen Interesse zu erwartende Verhalten verstößt. Nur in einem solchen Fall verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Bei einem alkoholabhängigen Arbeitnehmer fehlt es nach Einschätzung des BAG suchtbedingt auch im Fall eines Rückfalls nach einer Therapie regelmäßig an einem solchen Verschulden. Bei einer Alkoholabhängigkeit handele es sich um eine Krankheit. Ihre Entstehung sei multikausal, wobei sich die unterschiedlichen Ursachen wechselseitig bedingten. Dies gelte grundsätzlich auch für einen Rückfall nach einer Therapie.
Zwar könne bei einer Abstinenzrate von 40 % bis 50 % je nach Studie und Art der Behandlung ein Verschulden des Arbeitnehmers an einem Rückfall nicht generell ausgeschlossen werden. Allerdings könne der Arbeitgeber, gegen den vorliegend die zuständige Krankenkasse aus übergegangenem Recht geklagt hatte, dieses fehlende Verschulden bestreiten. Lasse es sich auch im Rahmen eines medizinischen Sachverständigen-Gutachtens nicht eindeutig feststellen, so gehe dies zu Lasten des Arbeitgebers.

Im konkreten Fall hatte das eingeholte sozialmedizinische Gutachten ein Verschulden des Arbeitnehmers unter Hinweis auf die langjährige und chronische Alkoholabhängigkeit und den daraus resultierenden Suchtdruck ausgeschlossen, so dass letztlich auch die Revision der beklagten Arbeitgeberin vor dem BAG keinen Erfolg hatte.


Die Autorin ist Rechtsanwältin in der Kanzlei Störmer & Hiesserich in Steinfurt.